Kurztrip nach Spitzbergen

Nun beginnt die Saison der vielen (meist Dienst-) Reisen, deswegen will ich noch mal schnell über meinen dreitägigen Kurztrip nach Spitzbergen berichten. Die Vertreter meiner Gewerkschaft in der norwegischen Erdöldirektion bemühen sich fleißig um Mittel für eine jährliche Weiterbildung ihrer Mitglieder. In diesem Jahr wurden die Regeln für derartige Weiterbildungen etwas verschärft: Sie dürfen nun nicht mehr im Ausland stattfinden. Aber meine Kollegen sind ja schlau – ihnen fiel ein, dass das Königreich Norwegen ja groß ist, und so entlegene Gebiete wie das Königin-Maud-Land in der Antarktis oder die Bouvetinsel im Südpolarmeer umfasst. Oder eben auch Spitzbergen, und diese Inselgruppe ist (flug-) verkehrstechnisch auch ganz gut an „Festlandsnorwegen” angeschlossen.

Spitzbergen aus der Luft

Dienstag flogen wir über Oslo und Tromsø nach Longyearbyen, der (norwegischen) Hauptstadt der Inselgruppe (die übrigens auf Norwegisch Svalbard heißt; „Spitsbergen” ist lediglich der Name der größten Insel). Wir übernachteten in Mary-Ann’s Polarrigg, umgebauten ehemaligen Baracken für Kohleminenarbeiter. Das Hotel hat einen sehr rustikalen Charme, aber das Essen war wirklich superlecker – kurz nach der Ankunft bekamen wir als verspätetes Mittagessen bereits ein sahniges Wal-Seehund-Gulasch serviert. Im Anschluss daran wurden wir von Vibeke Holtskog einige Stunden lang zum Thema „Effektivität und Zeitmanagement” geschult. Und dann ging’s in die (wahrscheinlich) beste Kneipe auf Spitzbergen: Kroa.

Picknick unter dem Gletscher

Am nächsten Tag ging die Schulung weiter mit dem Thema „Die Kunst, sich mit dem Kopf und dem Herzen selbst zu führen”. War tatsächlich interessanter, als es klingt ;-).

Nach dem Mittagessen (Walbraten) hatten wir die Möglichkeit, an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Im Angebot waren Hundeschlitten- oder Schneemobilfahrt und eine Eisgrottentour. Ich habe mich für Letzteres entschieden – ein „once-in-a-lifetime”-Erlebnis (hoffe ich) … Bekleidet mit u.a. sechs Hosen und zusammen mit drei Kollegen und einem bewaffneten Führer (wegen der Eisbären darf man Longyearbyen nicht ohne Schusswaffe verlassen) wanderten wir zunächst über eine Endmoräne zum nahegelegenen Gletscher Larsbreen. Das klingt wie ein Spaziergang, hatte es aber in sich: Mit Steigeisen sind 500 Höhenmeter zu überwinden. Oben angekommen lässt man sich in ein stockdunkles Kaninchenloch im Schnee ca. 10-15 m hinab und wandert dann durch den Schmelzwasserkanal im/unter dem Gletscher hinab. Stellenweise muss man an Seilen oder Strickleitern einige Abhänge überwinden. Es ist dort dunkel, still, und mit -4 °C bei totaler Windstille auch recht warm. Nach 100-150 Metern machten wir ein kleines Picknick, bevor wir schließlich den Rückweg antraten. Der war wirklich eine Herausforderung, denn der Eiskanal ist stellenweise extrem schmal. Runter ging es ja, weil man an dem rutschigen Eis entlangglitschte, aber hoch … und dann noch an einem Seil kletternd … ich blieb 3x so sehr mit den Schultern, den Hüften und dem Rucksack stecken, dass ich dachte, ich komme da gar nicht mehr raus. Ich war fix und fertig, als ich endlich wieder das Tageslicht sah. Bilder gibt es leider auch nicht, da meine Kamerabatterie schon auf dem Hinweg bei -14 °C sofort leer war. Unser Abendessen im Kroa hatten wir uns redlich verdient.

Am dritten Tag erklärte uns der Gewerkschaftsrepräsentant Kjetil Mørk die Rolle der Vertrauensfrau/des Vertrauensmannes. Wir bekamen gute Tipps für z.B. Gehaltsverhandlungen, Kündigungen etc. Mittags gab es eine richtig leckere Trockenfischsuppe. Gegen 13 Uhr wollten wir uns dann zum Flughafen aufmachen, aber sukzessive tickerten SMS von unserer Fluggesellschaft SAS ein, die eine immer spätere Abflugzeit ankündigten. Es stellte sich heraus, dass der Flughafen in Oslo wegen heftigen Schneefalls 2 Stunden geschlossen war, und entsprechend der gesamte Flugverkehr in Norwegen durcheinandergeraten war. Wir verzogen uns mit unserem Gepäck schließlich in die Bar des größten Hotels in Longyearbyen, damit wir auf jeden Fall den Shuttle-Bus zum Flughafen erwischen konnten. Inzwischen kam auch auf Spitzbergen Sturm auf. Bis zum Schluss war es wegen starken Seitenwindes und vereister Landebahn unsicher, ob überhaupt ein Flugzeug landen kann.

Flughafen Gardermoen: „Get lost – life is a journey”

Gegen Abend konnten wir endlich losfliegen; über Tromsø kamen wir gegen Mitternacht endlich nach Oslo, bzw. zum Flughafen Gardermoen, wo dann gar nichts mehr ging. Unser Weiterflug nach Stavanger wäre eh weg gewesen, wurde aber sowieso eingestellt. Hotels in der Nähe waren alle ausgebucht; wir waren zusammen mit Tausenden anderen auf dem Flughafen gestrandet. Auf jedem Gepäckband schliefen Leute, und in der Schlange vor dem (geschlossenen) SAS-Schalter lagen schon einige hundert Menschen. Wir haben die Nacht vor der (ebenfalls geschlossenen) Security-Schleuse durchgemacht, aber immerhin konnten wir uns um 2 Uhr nachts von unserem Reisebüro auf den ersten Flug nach Stavanger buchen lassen; da hatten wir den anderen Gestrandeten gegenüber einen riesigen Vorteil. Der Flug war dann auch noch mal einige Stunden verspätet, aber gegen 11:00 war ich (und mein Gepäck sogar auch!) endlich zu Hause – total groggy und mit Ganzkörperschmerzen nahm ich den Tag dann auch noch frei.

Ich freue mich schon auf unser Gewerkschaftsseminar im nächsten Jahr – das aber hoffentlich weder auf der Bouvetinsel noch in der Antarktis stattfindet … (ach Quatsch, wieso eigentlich nicht!?!)

Bierbewerter

Während Tania sich auf Spitzbergen während eines Gewerkschaftsseminars ein wenig Polarluft um die Nase wehen ließ, war ich am Dienstag- und Mittwochabend zum ersten Mal als frischgebackener Heimbraubierwettbewerbsschiedsrichter (dieses Wort lieben wir einfach — auf Englisch bzw. Norwegisch sagt man einfach beer judge oder øldommer) im Einsatz. Zur Zeit läuft gerade die norwegische Heimbraumeistermeisterschaft, bei der die hiesigen Heimbrauer ihre selbstgebrauten Biere zur Begutachtung einschicken können. In diesem Jahr werden die Biere in 13 Über- und 70 Unterklassen bewertet.

Heimbrauwettbewerbsschiedsrichter bei der Arbeit

Heimbrauwettbewerbsschiedsrichter bei der Arbeit

Erstmals werden auch Biere in Stavanger evaluiert, nachdem es nun auch hier examinierte Heimbraubierwettbewerbsschiedsrichter gibt. In Stavanger geht es um die Klasse „Helles Ale”, in der es neun Unterklassen gibt, z.B. Englisches Bitter, Amerikanisches Pale Ale, Kölsch, Irisches Rotbier oder Amerikanisches Amber Ale. Rund sechzig Heimbrauer haben ihre Kreationen per Post nach Stavanger geschickt, je Teilnehmer drei Flaschen à 0,33 l.

Am Montagabend ging es zunächst um die Amerikanischen Pale Ales — dieser Stil ist bei Heimbrauern sehr beliebt; entsprechend viele teilnehmende Biere gab es. In zwei Dreiergruppen bewerteten wir die sechzehn eingeschickten Biere dieser Klasse. Dabei bekommt jeder Schiedsrichter je Bier ca. 0,1 l zum Probieren — das muss reichen.

Am Dienstagabend war ich bei der Bewertung der Klassen Kölsch, Irisches Rotbier (ein bekannter kommerzieller Vertreter ist z.B. Kilkenny) sowie Dampfbier beteiligt.

Und worum geht es dabei? Für jeden Bierstil gibt es genau festgelegte Kriterien, wie Aroma, Aussehen, Geschmack und Mundgefühl beschaffen sein müssen, und anhand dieser Kriterien müssen wir die Biere bewerten. Es geht also nicht darum, ob mir persönlich ein Bier schmeckt oder nicht, sondern darum, wie gut ein Bier zu diesen Kriterien passt. Hört sich vielleicht kompliziert an, ist es aber gar nicht. Wenn man viele verschiedene Stile vorher schon mal bewusst getrunken hat und eventuell auch gebraut hat, ist es gar nicht so schwer, die guten von den schlechten Bieren zu unterscheiden.

Aus jeder Probierrunde werden 1-2 Biere weitergeschickt in die nächste Finalrunde; dort treffen dann also die besten Biere aus den jeweiligen Unterklassen aufeinander. Am Ende wird dann in Stavanger der Gewinner der Klasse „Helles Ale” gekürt. Dieses Bier trifft dann im abschließenden Finale, das in diesem Jahr in Bergen stattfindet, auf die Gewinner der zwölf anderen Klassen, die in den anderen Städten Norwegens ermittelt wurden. Der Sieger darf sich dann „Heimbrauer des Jahres 2015” nennen, und das Siegerbier wird von Norwegens größter Mikrobrauerei, Nøgne Ø, kommerziell gebraut und im Prinzip weltweit vermarktet.

Ein zweiter Aspekt neben der Bewertung der Biere ist dem Heimbrauer Tipps zu geben, wie das jeweilige Bier u.U. zu verbessern ist; hier sind also konkrete Hinweise zum Brau- oder Gärprozess gefragt. Dieser Teil ist allerdings schwierig zu bewerkstelligen, da wir als Heimbrauschiedsrichter das Rezept und Brauverfahren nicht kennen, so dass wir nur allgemeine Hinweise geben können.

The empire strikes back…

Nachdem das sogenannte Handwerksbier oder Craft Beer allem Anschein nach auch in Deutschland immer beliebter wird, sehen auch die industriellen Brauereien, dass es einen Markt gibt für geschmackvollere Biere abseits von „Ideal Standard”. Meine Eltern wiesen mich darauf hin, dass vor kurzem drei neue Beck’s-Sorten auf den Markt gekommen sind. Ich habe mir gleich die entsprechenden Informationen bei becks.de angesehen. So gibt es jetzt „Beck’s 1873 Pils”, bei dem sich die Brauer „vom Geschmack des ersten Beck’s” inspirieren ließen — da wird man dann vermutlich erkennen, wie gut das Bier einstmals gewesen ist und welche Plörre uns heutzutage angedreht wird. Zum neuen Beck’s Pale Ale ist zu lesen, dass es „charaktervoll und intensiv hopfig” sei und den „Geschmack Englands” habe. Interessanterweise wird bei diesem Bier die Hopfensorte Cascade verwendet, die in den USA gezüchtet wurde und geradezu der Signaturhopfen für eben amerikanische Pale Ales ist. Drittes Bier im Bunde ist das Beck’s Amber Lager, das ein Bier „mit dem Gefühl Australiens” sein soll, was immer das auch heißen mag.

Nun gut, Marketinggedöns halt, wenn die Biere ansonsten gut schmecken, ist ja alles in Ordnung, und es ist der Beweis erbracht, dass auch die großen Brauereien können, wenn sie nur wollen.

Wieder ’ne Ballade

Gestern Abend wurde der norwegische Beitrag für den Eurovision Song Contest ermittelt. Der norwegische Fernsehsender nrk hat dabei keine Kosten und Mühen gescheut, eine angemessene Show auf die Beine zu stellen. Im Gegensatz zu den Vorjahren, wo aus mehrere Vorrunden die Finalteilnehmer ermittelt wurden, gab es in diesem Jahr zwar nur eine Veranstaltung; die hatte es aber in sich.

Schließlich sind in diesem Jahr mehrere Jubiläen zu feiern: den ESC gibt es seit nun mehr sechzig Jahren, vor dreißig Jahren gewann Norwegen zum ersten Mal das ESC-Finale (Bobbysocks, La det svinge) und vor zwanzig Jahren zum zweiten Mal (Secret Garden, Nocturne). Traditionsgemäß wurde daher gestern Abend die Musik live vom norwegischen Rundfunkorchester beigesteuert. Und auch Ralph Siegel hat durch die gestrige Sendung wieder ein paar Euro mehr auf seinem Tantiemenkonto: Alle Artisten sowie die Moderatoren der Sendung führten gemeinsam, auf Deutsch singend, den Titel Dschinghis Khan aus dem Jahr 1979 auf — dieser Titel hat offenbar bleibenden Erinnerungen hervorgerufen: Laut der norwegischen „ESC-Trainerin” hat dieser Titel „alles”,was ein guter ESC-Song braucht: Tanz, Kostüme, und einen phantastisch schmissigen Refrain!

Musikalisch bot der Abend wieder allerlei unterschiedliche Kost, wobei vieles absolut nichtssagend und langweilig war. Darunter waren auch Nummern, die an längst vergangene Zeiten erinnerten. Vor gut dreißig oder vierzig Jahren hätten Titel wie All over the world von Tor & Bettan (übrigens eine „Bobbysocke”) oder Heaven von Contrazt wohl eine Chance gehabt.

Die Jungs von Staysman & Lazz hatten offensichtlich die Dschinghis-Khan-Lektion verinnerlicht und in ihrem Lied En godt stekt pizza (Eine gut gebackene Pizza) Tanz, Kostüme und schmissigen Refrain aufgeboten:

Für den Sieg hat das aber nicht gereicht. In einem spannenden Finale setzte sich am Ende das Duo Mørland & Debrah Scarlett mit ihrer Ballade A Monster Like Me durch. Somit schickt Norwegen auch in diesem Jahr ein ruhigen Titel zum ESC-Finale.

Zertifisierte Bierwettbewerbsschiedsrichter

Na, das wäre ja auch zu peinlich geworden, wenn wir die Prüfung nicht bestanden hätten! In Stavanger nahmen 20 Personen an der Heimbrauwettbewerbsschiedsrichterprüfung unter der Regie von Norbrygg (norwegische Heimbrauervereinigung) teil. Davon bestanden immerhin 65 % der Teilnehmer die Prüfung – Arnold und ich kamen auf Platz 2 und 3. Wir fanden den Multiple-Choice-Test eigentlich nicht schwer zu bestehen, aber es gab doch auch einige Fragen, für die wir nicht die Antwort aus dem Ärmel schütteln konnten. Z.B. folgende Frage: Du stellst bei einer Charge Bierflaschen fest, dass das Bier mit der Zeit mehr und mehr nach Butter riecht. Was ist die Ursache? Mögliche Antworten: 1. Die Kronkorken sind undicht, 2. Beim Abfüllen ist zu viel Sauerstoff mit dem Bier in die Flaschen gelangt, 3. Das Bier ist mit Pediococcus-Bakterien infiziert, 4. Die Flaschen sind zu viel Licht ausgesetzt gewesen. Als versierte Biochemiker wissen unsere Leser selbstverständlich, dass Pediococcus Diacetyl produziert, und das schmeckt unangenehm nach Butter … Antwort 3 ist daher korrekt.

Wahrscheinlich werden wir schon im April bei der norwegischen Meisterschaft als Schiedsrichter eingesetzt; bei ca. 400 zu bewertenden Bieren wird eine große Zahl Schiedsrichter benötigt. In Stavanger wird „Helles Ale“ bewertet werden, also Biersorten wie Bitter, Englisches Golden Ale, Amerikanisches Pale Ale, California Steam Beer oder Kölsch. Für das Bewerten bekommen wir natürlich keinen Lohn, aber als Bonus dürfen wir das Flaschenpfand und die Biere behalten, die nicht in die nächste Runde weiterkommen – also die schlechteren Biere. Da trifft es sich extra schlecht, dass wir die meisten Sorten in der Rubrik „Helles Ale“ sowieso nicht wirklich gerne trinken … Aber da müssen wir nun durch 😉

Durchgefroren

Fast eine Volksbewegung: Pegida in Stavanger

Fast eine Volksbewegung: Pegida in Stavanger

Gerade kommen wir von einer Demonstration gegen Pegida nach Hause. Ja, ihr habt richtig gelesen, dieses braune Gesindel macht sich auch in Norwegen breit, oder es versucht es zumindest. Es war schwer auszumachen, wieviel Leute Pegida mobilisieren konnte, da auch viele von der Presse zwischen den Pegida-Leuten herumliefen, aber wohlwollend kann man von etwa zwanzig Personen sprechen. Auf der anderen Seite standen etwa 300 Gegendemonstranten, und wir waren mit dabei. Bei ca. vier Grad und einem kalten Südostwind versuchten wir etwa zwei Stunden lang Schlachtrufe singend die Pegida-Kundgebung zu übertönen. Jetzt ist erst einmal Aufwärmen angesagt.

Die Renten sind sicher!

Heute war ein großer Tag für Norwegen. Dabei ging es einmal nicht um neue Glanzleistungen von Marit Bjørgen, Petter Northug oder Magnus Carlsen, sondern um die Überreichung des Ausbauplanes des neuen Erdölfeldes Johan Sverdrup an den norwegischen Öl- und Energieminister.

Unsere Rente: Geplanter Ausbau von Johan Sverdrup (Illustration: Statoil ASA)

Unsere Rente: Geplanter Ausbau von Johan Sverdrup (Illustration: Statoil ASA)

Das Ölfeld, das sich ungefähr 150 km westlich Stavangers rund 1800 m unter dem Meeresboden der Nordsee befindet, wurde 2010 von der schwedischen Erdölfirma Lundin entdeckt. Es erstreckt sich über ca. 180 qkm — das entspricht mehr als der Hälfte der Fläche der Stadt Bremen; die ölführenden Gesteinsschichten erreichen eine Mächtigkeit von bis zu 60 m. Inzwischen weiß man, dass es sich dabei um den bisher fünftgrößten Ölfund auf dem norwegischen Sockel handelt — die voraussichtlichen Steuern, die allein die bei der Förderung beteiligten Ölfirmen an den norwegischen Staat abführen werden, werden sich während der auf rund 50 Jahre angelegten Lebensdauer des Ölfeldes auf rund 670 Milliarden Kronen belaufen — das entspricht ungefähr der Hälfte des diesjährigen norwegischen Staatshaushaltes.

Insgesamt soll Johan Sverdrup für 51.000 Arbeitsplätze sorgen. Von vornherein werden die Bohr-, Produktions- und Wohnplattformen von Land aus mit Energie versorgt. Dadurch werden CO2-Emissionen in einer Größenordnung eingespart, die mehr als dem vierfachen CO2-Jahresausstoß aller norwegischen PKW entsprechen (dabei bleibt natürlich zu hoffen, dass Norwegen entsprechend viel „grünen” Strom produzieren kann und am Ende nicht noch schmutzigen Kohlestrom aus Deutschland importieren muss…)

Johan Sverdrup soll für 50 Jahre Öl und Gas produzieren — für meine Rente sollte das reichen 😉

Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall

Diese relativ guten Nachrichten braucht das Land aber auch. Aufgrund des rapiden Ölpreisverfalles der letzten Monate, der andernorts für Aufschwung und gute Laune sorgt, sieht es in der Ölbranche Norwegens momentan nicht so rosig aus. Mehrere tausend Arbeitsplätze sind bereits verloren gegangen, weil die Ölfirmen zur Zeit sparen wo sie können. Zunächst sind Arbeitnehmer aus den Zuliefer- und Konsulentfirmen betroffen, die im Auftrag von den großen Ölfirmen beispielsweise Plattformen warten oder betreiben. Aber auch die Ölfirmen selbst haben Kürzungsprogramme angekündigt. Da trifft es sich natürlich gut, dass Tania erst kürzlich in den warmen Schoß des fürsorglichen norwegischen Staates gefallen ist, denn es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Forschungsmittel eingespart werden. Allerdings sind noch zwei Wochen Probezeit zu überstehen…

Laktobazillen

Zu guter Letzt soll hier über unser neuestes Brauprojekt berichtet werden (nach dem Motto: Kein Posting ohne Brauen…). Wir wagen uns an ein Bier, das so ganz anders gebraut wird als die meisten anderen Biere: Berliner Weiße. Dabei handelt es sich um ein mit Hilfe von Milchsäurebakterien vergorenes Bier, das demzufolge einen leicht säuerlichen Geschmack bekommt. In den siebziger Jahren war das mal richtig „in”, da hat sogar Haake-Beck eine Variante davon hergestellt (siehe hier und hier).

Some like it hot: 3 l Milchsäurebakterienzucht vorm Heizlüfter

Some like it hot: 3 l Milchsäurebakterienzucht vorm Heizlüfter

Traditionell wird die Bierwürze der Berliner Weiße während des Brauprozesses nicht gekocht, und Hopfen darf man auch nur sehr wenig verwenden, weil sonst die Milchsäurebakterien darunter leiden würden. Mit anderen Worten: Alles, was sonst für das Gelingen eines Bieres wichtig ist, nämlich ordentlich Würzekochen und eine ausreichende Hopfengabe, wird hier nicht gemacht. Heute haben wir eine Startkultur mit Milchsäurebakterien angesetzt, die nun im Gä[r/ste]zimmer direkt vor einem Heizlüfter stehend vor sich hin gärt. Die Laktos haben es gerne warm — so ca. 37 °C sollen es schon sein. Nächste Woche wird gebraut, in ein bis zwei Monaten wissen wir, ob es was geworden ist.

PS: Und wer war jetzt noch mal Johan Sverdrup? Er war ein norwegischer Jurist und Politiker, Ministerpräsident 1884-1889, Redakteur der Zeitung „Verdens Gang” (heute VG).

Auf Bierwettbewerbsschiedsrichterkurs

Am vergangenen Wochenende haben wir uns gründlich schulen lassen — am Sonnabend und Sonntag waren wir auf einem Kurs von Norbrygg, der norwegischen Heimbrauervereinigung. Dort haben wir unter anderem gelernt, wie man Biere auf „Typenrichtigkeit” bewertet und wie man in einer Bierjury arbeitet. Sollten wir die in ca. drei Wochen anstehende theoretische Prüfung bestehen, können wir in Zukunft beispielsweise bei der norwegischen Heimbraumeisterschaft in den verschiedenen Jurys als Schiedsrichter mitwirken. Schon lange wollten wir diesen Kurs belegen, doch erst jetzt fand mal einer in Stavanger statt. Nun steht kräftiges Lernen auf unserem Programm — die speziellen Eigenschaften von 65 verschiedenen Biersorten sollten wir so einigermaßen können. Es gibt also noch ein paar andere Biersorten als Pils (wobei dann erst einmal geklärt werden müsste, ob es sich dabei um ein deutsches, tschechisches, internationales oder modernes Pils handelt, oder doch nur um ein Münchener Helles…)

Wegen des Kurses ist bei uns glatt ein Brautag ausgefallen, erst am Freitag werden wir unser zweites Bier in diesem Jahr brauen. Vorratsmäßig sind wir momentan ziemlich „auf Kante genäht”, viel Auswahl besteht nicht mehr, da muss sich also etwas ändern.

Brauen im kleinen Maßstab wird auch in Deutschland immer populärer, sogar in Bremen gibt es inzwischen (mindestens) zwei Brauer, die ordentliches Handwerksbier herstellen und vertreiben. Uns bekannt ist zum einen die Bremer Braumanufaktur mit den Hopfenfänger-Bieren (hier ein Video von Buten un Binnen) sowie Grebhan’s Bier, der auch schon mal bei Buten un Binnen war. Interessanterweise braut Grebhan auf der gleichen Brauerei wie wir — er muss es halt ein bisschen öfter machen 😉

Und wo wir gerade bei Biervideos sind: Heute erreichte uns ein Video des NDR vom 28. Dezember, in dem es ebenfalls um das handwerkliche Brauen geht, zumindest ab der 15. Minute. Die Kollegen von der Ricklinger Landbrauerei haben es uns angetan, aber seht selbst!

So, ich glaub, ich muss noch mal in den Braukeller, um nach den … Werten! zu schauen, während Tania sich noch mal um die Düfte und Nuancen kümmert…

Ist bald Schluss?

Puh, das Jahresende hat es aber in sich! Wir hatten (und haben eigentlich immer noch) sehr viel um die Ohren; daher war es an dieser Stelle in den vergangenen Wochen etwas ruhig. Der letzte Blogeintrag stammt von Anfang November, seit dem ist schon einiges passiert. Unter anderem waren wir Ende November in Bremen, um dort meinen 50. Geburtstag zu feiern — ich nehme mal an, dass viele ZBiS-Leser dabei waren, so dass wir hier nicht mehr näher darauf eingehen brauchen. Nur so viel: Es war ein schöner Tag mit euch — wir hoffen, ihr hattet auch euren Spaß!

Wie so oft hatten wir auf der Rückfahrt nach Norwegen einiges an Bier im Kofferraum, ein Großteil davon hatte ich zum Geburtstag geschenkt bekommen. Als wir am frühen Morgen mit der Fähre in Stavanger ankamen, mussten wir natürlich erst einmal zum Zoll, um die überzähligen Liter ordnungsgemäß zu verzollen. Irgendetwas funktionierte an diesem Morgen aber nicht, vermutlich das Bankkarten-Lesegerät, so dass wir ohne etwas zu bezahlen weiterfahren konnten 😉

Wenn man fünfzig wird und in Norwegens öffentlichem Dienst beschäftigt ist, muss man schon so einiges überstehen. Es begann an meinem Geburtstag damit, dass mir mein Chef bereits früh morgens am Fahrradständer gratulierte. Später gab es in der Mittagspause Geschenke von der Universitätsleitung, vom Institut sowie von meinen engsten Kollegen, den anderen technischen Angestellten. Dazu gab es mehrere Kuchen für alle. Das war aber noch nicht alles. Wer sich in der universitären Hierarchie ein wenig auskennt, wird schnell erkannt haben, dass es kein Geschenk aus der mittleren Verwaltungseinheit, der Fakultät, gab. Das wurde jetzt am Freitag nachgeholt. Die Fakultät lädt traditionell zum Weihnachtsessen ins Sola Strand Hotel ein, und dort wurden dann auch die diesjährigen Jubilare ein weiteres Mal an ihr Alter erinnert und entsprechend mit einem Geschenk bedacht.

Auf der Arbeit geht es ziemlich hoch her. Wie immer gegen Jahresende tauchen irgendwo Gelder auf, die noch „mal eben schnell” verbraten werden müssen, ehe sie zum Jahresende verfallen. In diesem Jahr waren es 150.000 Kronen, die ich auf diese Art und Weise unverhofft verprassen durfte. Das kostet einiges an Zeit, die mir an anderer Stelle fehlt. Deshalb schreibe ich diese Zeilen im Büro, während ich darauf warte, dass Windows seine Updates installiert. Eigentlich hatten wir geplant, jetzt am Jahresende zwei Wochen frei zu nehmen, aber daraus wurde erst einmal nichts. Heute und morgen müssen wir noch ‚was schaffen.

Die Brausaison 2014 betrachten wir erst einmal als abgeschlossen. Na ja, mal sehen, vielleicht juckt es uns ja doch noch in den Fingern… Unser (vorläufig) letztes Bier haben wir am vor gut einer Woche gebraut. Es wird unser erstes ordentliches Fruchtbier werden. Das „Grundbier” ist ein belgisches Dubbel (wir hatten ein ähnliches Bier zu meinem Geburtstag dabei). Gestern haben wir dem Bier 1 kg Trockenpflaumen hinzugefügt — mal sehen, was daraus wird!

Im Zeichen des Gerstensaftes…

What's Brewing Bier Festival: Los geht's!

What’s Brewing Bier Festival: Los geht’s!

Wie im letzten Beitrag schon erwähnt, fand am Freitag und Sonnabend in Stavanger das Bierfestival What’s Brewing in Stavanger statt. Achtundzwanzig Handwerksbrauereien aus Europa und den USA kamen ins Kulturzentrum Tou Scene, um zusammen 219 verschiedene Biere zu präsentieren, darunter etliche Neuheiten, die es noch nirgendwo sonst zu trinken gab. Bei dem Veranstaltungsort handelt es sich übrigens um das Gebäude der ehemaligen Tou Brauerei, das heute als Kulturzentrum fungiert — einen passenderen Ort für ein Bierfestival gibt es wohl kaum. An beiden Tagen kamen rund 1000 Besucher, und viele von denen kannten wir — entweder aus dem Cardinal oder von unseren Heimbraukursen. Tania und ich schafften es, an den zwei Tagen rund fünfzig verschiedene Biere zu probieren, jeweils 0,1 l, versteht sich. Unsere Top 5:

# Brauerei Land Biersorte Stil vol.-% Alk.
1 Lervig N Once You Go Black Imperial Stout 13,5
2 Evil Twin DK Femme Fatale Blanc India Pala Ale 6
3 Birra del Borgo I My Antonia Imperial Pilsner 7,6
4 Evil Twin DK Imperial Doughnut Break Imperial Porter 11,5
5 All in Brewing S RLGK 10517 Celebration Stout Imperial Stout 12

Bierstände der Brauereien und ein paar Bierverrückte

Bierstände der Brauereien und ein paar Bierverrückte

Im Rahmen des Bierfestivals gab es auch einen Heimbrauwettbewerb, an dem wir teilnahmen. Bereits Anfang Oktober hatten wir drei Flaschen unseres neuesten Bieres abgeliefert, einem Imperial Stout mit 9,6 % Alkohol, das wir wegen seines Geschmacks und seiner Konsistenz Sweet Crude O‘ Mine getauft haben (crude von crude oil = Rohöl). Gestern Abend gab es dann das Ergebnis: Unter 50 abgelieferten Bieren kam unser Bier auf den zweiten Platz und wurde ausdrücklich wegen seines ausbalanzierten Geschmacks und der perfekten Karbonisierung gelobt; es läge qualitativ auf dem gleichen Niveau wie vergleichbare Biere von den anwesenden Brauereien. Als Prämie bekamen wir einen Einkaufsgutschein über 1000 Kronen von unserem Brauaustatter Bryggselv. Die Jury des Wettbewerbs war hochkarätig besetzt, u.a. mit zwei Brauern von Lervig, darunter Chefbrauer Mike Murphy. Auf diesen Preis können wir uns also ein bisschen ‚was einbilden 😉 Schade nur, dass wir nicht den ersten Preis gewonnen haben…

So, es ist Zeit, unser Gewinnerbier noch einmal zu probieren!

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