Lange Zeit war unklar, ob wir in diesem Jahr verreisen können: Unser Haus muss nach der Renovierung außen noch einmal gestrichen werden, und der Maler hatte sich für Juli/August angekündigt. Nun wird er wohl erst im August Zeit haben – wegen schlechten Wetters verzögert sich vieles. Daher haben wir kurzfristig eine Fähre gebucht und sind mit Tandem und Zelt nach Dänemark gefahren. Den Norden Jütlands kennen wir schon recht gut von früheren Radtouren, aber dennoch gibt es ein paar Ecken, die wir noch nicht gesehen haben.
Bereits am ersten Tag auf der Tour von Hirtshals nach Skagen hatten wir kräftigen, böigen Wind schräg von vorn. Die offene Dünenlandschaft im Norden Jütlands bot wenig Deckung, und unser vollbepacktes Tandem ist mit Radtaschen und Anhänger nicht gerade windschnittig. Aber wenigstens schien die Sonne – immerhin etwas. Tags zuvor bei der Abreise in Stavanger mussten wir die rund 20 km bis zum Fähranleger bei 14 Grad und Sprühregen zurücklegen.
In Skagen lockte uns Skagens Bryghus, die dortige Gasthausbrauerei, mit seinem reichhaltigen Angebot.
Von Skagen ging es an der Ostküste Jütlands in Richtung Süden. Der Wind hatte inzwischen zugenommen, aber nun kam er von schräg hinten, was uns schon besser gefiel. Gut gefiel uns auch, dass im Verlauf unserer Route im kleinen Ort Ålbæk Det Bette Ølhus (Das kleine Bierhaus) liegt. Hier gibt es vermutlich die größte Auswahl belgischer Biere außerhalb Belgiens, und wir kamen auch in diesem Jahr nicht daran vorbei, ohne dort einzukehren. Wir erwägen, auf einer zukünftigen Tour in Ålbæk zu übernachten, damit wir das Angebot im Ølhus eingehender prüfen können.
Wir übernachteten auf dem Campingplatz Hedebo, wo wir gerade noch rechtzeitig zur Happy Hour das Café auf dem Campingplatz erreichten. So bekamen wir unsere bescheidenen 0,75-l-Biere glatt zum halben Preis 🙂
Am nächsten Tag ging es weiter nach Süden, wo wir schließlich Egense, am Südufer des Limfjords gelegen, erreichten.
Von Egense aus ging es nun wieder Richtung Westen, zunächst bis nach Nibe. An diesem Tag wurde es mit 25 Grad zum ersten Mal so richtig warm, für unseren Geschmack war es schon ein bisschen zu viel des Guten. Zumindest fanden wir auf dem Campingplatz ein schattiges Plätzchen, wo wir mit Hilfe von Eiswürfeln unser im Supermarkt gekauftes Bier herunterkühlen konnten.
Bis Nibe hatten wir rund 240 km mit dem Rad zurückgelegt, was uns eine gewisse Grundfitness brachte, die wir für die kommenden Tage auch brauchten, denn es galt, einige Höhenmeter zu überwinden in der durch eiszeitliche Moränen geprägten Landschaft. Von Nibe fuhren wir nach Trend, einem sehr kleinen Ort südlich von Løgstør. Immerhin gab es dort einen typischen dänischen Kro, wo wir einkehrten und zu Abend aßen. Hier gab es zum Wiener Schnitzel noch die sprichwörtliche Schiebkarre voll Bratkartoffeln.
Gut genährt und mit Rückenwind ging es weiter nach Hjarbæk, einem kleinen Ort nördlich von Viborg am Hjarbæk Fjord, einem südlichen Ausläufer des Limfjords.
Der nächste Tag sollte einer der schlimmsten werden: Zum einen bekamen wir es wieder mit heftigem Gegenwind zu tun, zum anderen mussten 600 Höhenmeter überwunden werden. Das alles war allerdings nichts gegen die schlechten Wegverhältnisse: Rund 15 km Sand- und Kieswege machten uns das Radeln schwer. Kieswege sind mit unserem schwer beladenen Rad, das zudem schmale Reifen hat, nur im Schritttempo zu befahren, Sandwege gehen gar nicht – da mussten wir streckenweise schieben. Am Ende hatten wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von sagenhaften 10,7 km/h auf der Uhr. Zum Glück wartete in Sevel einer der besten Campingplätze der Tour – großzügiger Platz, toll angelegt und gepflegt, und mit Kühlschrank in der Küche, so dass wir unser Bier dort kühlen konnten.
Sevel war der südlichste Ort unserer Reise, nun ging es langsam wieder in Richtung Norden, zunächst bei starkem Gegenwind nach Lemvig. Hier erwarteten uns speziell zum Ende des Tages ein paar knackige Steigungen, so dass wir dann doch mal den Berggang einlegen mussten. Da merkt man die rund 45 kg Gepäck, die wir zusätzlich zu unserem Eigengewicht die Hänge hochwuppen mussten. Und man fragt sich unweigerlich, ob wir unbedingt das zweite Paar Socken mitnehmen mussten…
Der nächste Tag begann, wie der letzte endete: Mit einem starken Anstieg. Hinzu kam abermals starker Gegenwind, aber es sollte noch schlimmer kommen. Wir erreichten wieder die Nordsee, und hier blies der Wind mit 6-7 Windstärken aus Nordwest, und wir mussten nach Norden, zunächst nach Thyborøn, dann, nach dem Übersetzen mit der Fähre, weiter nach Agger. Auf dem ersten ca. sieben Kilometer langen Abschnitt bis nach Thyborøn hatten wir noch teilweise Windschutz durch einen Bahndamm, aber auf der nördlichen Seite waren wir dem Wind voll ausgeliefert, so dass wir die rund acht Kilometer über Agger Tange nur im ersten Gang fahren konnten. Windstärke 6-7 klingt nicht besonders viel, aber ohne jeglichen Windschutz ist das schon eine andere Nummer als z.B. in der Stadt. Wir waren uns jedenfalls einig, einen solchen Wind auf einer Radtour noch nicht erlebt zu haben. Dementsprechend hatten wir die Nase nach nur 34 km zurückgelegter Strecke voll und blieben in Krik Vig. Erstaunlich, wieviel Windschutz ein paar Hecken bieten können – auf dem Campingplatz war von dem Wind nicht viel zu spüren.
Der Wind nahm über Nacht etwas ab, so dass wir uns wieder in die Sättel schwangen und weiter gen Norden fuhren, nach Nørre Vorupør. Diesen Platz hatten wir schon auf früheren Touren angesteuert, waren aber nie so richtig begeistert gewesen, da die sanitären Einrichtungen dort nicht mehr up-to-date waren. Als Radfahrer kann man nicht so wählerisch sein, weil man nicht einfach mal 30 km weiter radelt zum nächsten Platz. Abgesehen davon liegt der Platz in den Dünen; für unser kleines Zelt ist das meistens nicht so gut wegen des fehlenden Windschutzes.
Wir hatten aber herausgefunden, dass dort tatsächlich in den letzten Jahren investiert und ein tiptop modernes Servicegebäude gebaut wurde; das machte uns die Entscheidung leichter, dort noch einmal zu übernachten. Und einen Kühlschrank gab es auch…
Von Nørre Vorupør ging es über Hanstholm weiter bis zum Platz Jammerbugt Camping, der positiven Überraschung der Tour. Der Platz ist weitgehend gefüllt mit Dauercampern, verfügt über ein paar heruntergekommene Hütten und einem geschlossenen Swimming Pool. Wir hatten 70 Kilometer in den Knochen und keine Lust mehr zum Kochen (cool gereimt, eigentlich); so war es uns Recht, dass der Platz auch über ein Restaurant verfügte. Allerdings musste man im voraus sein Gericht vom Menü auswählen, und vom Platzwart bekam man dann einen Zeitpunkt genannt, an dem das Essen fertig war. Komisch, dachten wir, andererseits OK, so wird vermutlich vermieden, dass zu viele Lebensmittel weggeschmissen werden müssen.
Wir bestellten uns Spare Ribs und hatten eigentlich typisches Camping-Platz-Restaurant-Essen erwartet, sprich: Alles kommt aus der Friteuse. Aber weit gefehlt! Hier hatten wir es mit echtem Slow Food zu tun: Bauchfleisch vom Schwein in dicken Scheiben geschnitten, zunächst zubereitet nach der Sous-Vide-Methode, dann im Ofen kurz gegrillt, alles händisch zubereitet vom Platzwart selbst. Und geschmeckt hat es auch. Dazu gab es Thy Classic vom Fass, ein gutes Bier, passend zum Essen. Bei Fassbier auf Campingplätzen sind wir vorsichtig – zu oft haben wir erfahren müssen, dass die Zapfanlagen dort nicht immer gut gewartet sind, was sich auf den Geschmack auswirkt. Aber hier war alles in Ordnung.
Das üppige Abendessen zeigte seine Wirkung am nächsten Tag (im positiven Sinn). Wir hatten noch keine Gelegenheit gehabt, für das Frühstück einzukaufen. Dennoch war es kein Problem für uns, die zehn Kilometer bis nach Fjerritslev zu fahren, wo wir einkaufen und frühstücken konnten.
Die Hitzewelle, die im Juli durch Europa schwappte, erreichte nun auch den Norden Dänemarks: An zwei Tagen sollten die Temperaturen um die 30 Grad liegen. Entsprechend planten wir unsere weiteren Touren: Je nach körperlichem Befinden wollten wir am ersten Tag entweder bis Blokhus oder, wenn Wetter und Ausdauer es noch zuließen, ins rund 20 km weiter entfernte Løkken radeln. Am Ende schafften wir es – nach einer ausgiebigen Pause in Blokhus – bis Løkken, wo wir in den Dünen des Platzes Løkken Strand Camping übernachteten.
Der nächste Tag wurde noch ein bisschen wärmer, so dass wir froh waren, nur noch 45 km bis Hirtshals bzw. dem nahe gelegenen Campingplatz Kjul Strand Camping zurücklegen zu müssen.
Nach zwei Übernachtungen in Hirtshals ging es abends aufs Schiff, das uns nach Stavanger zurückbringen sollte.
Fazit: An 12 Radfahrtagen legten wir rund 750 km Strecke zurück, und das komplett pannenfrei. Die Lust an der Urlaubsform „Fahrrad + Zelt“ ist uns immer noch nicht vergangen, im Gegenteil: Überlegungen für weitere Touren werden immer konkreter 🙂
Die Karte unten zeigt unsere gefahrenen Tagestouren. Über das viereckige Symbol oben rechts kann eine größere Karte angezeigt werden. Durch Anklicken der einzelnen Streckenabschnitte können weitere Details angezeigt werden.