Diesen Vorschlag können wir natürlich nicht unkommentiert lassen.
Zunächst einmal: Den norwegischen Kommunen geht es finanziell auch nicht gerade gut. Vergangene Woche beispielsweise konnten wir im Stavanger Aftenblad lesen, wie verheerend die Zustände an einer Schule in Sandnes, Stavangers Nachbarstadt, sind: Dort fallen in Umkleideräumen die Kacheln von der Wand, Schimmel bildet sich an den Wänden usw. — Folgen fehlender Instandhaltung. Andererseits: Wenn ich mir die Straßen in Stavanger ansehe, dann sind die schon in sehr gutem Zustand, ganz anders als so mache Straße in Bremen, die ohne weitere Änderungen Mercedes als Teststrecke für zukünftige Geländewagen dienen könnte.
Gut, dann spinnen wir den Gedanken doch mal weiter — was wäre, wenn Bremen wirklich norwegisch würde? Was hätte das für konkrete Folgen für die Bevölkerung, mal abgesehen vom Schuldenerlass?Fangen wir mit den positiven Dingen an. Als Teilnehmer der norwegischen Eliteserie würde Werder endlich wieder international spielen! Als sicherer norwegischer Meister muss die Mannschaft allerdings erst durch ein paar Qualifikationsrunden, um sich für die Champions League zu qualifizieren, aber falls das nicht klappt, winkt immerhin die Europa-League, das ist doch schon mal was. Mit seinen 550.000 Einwohnern wäre Bremen ganz klar die zweitgrößte Stadt des Landes, knapp hinter der Hauptstadt Oslo (632.000). Damit hätte man bevölkerungsmäßig Hamburg endlich überholt, das ja nur mit einem ziemlichen Abstand auf Berlin zweitgrößte Stadt ist. Täte man sich wie einst zu Zeiten der Hanse mit Bergen zusammen, würde die Region Bremen-Bergen ein willkommenes Gegengewicht zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übermacht der Osloregion in Norwegen bilden. Und noch etwas: Die Rest-Bundesrepublik würde sicherlich darauf bestehen, Bremerhaven aus wirtschaftlich-strategischen Gründen zu behalten (und es sogleich in Wesermünde umzubenennen). Damit wäre Bremen die undankbaren und widerborstigen Brüder im Norden auch los. Mit Einführung des norwegischen Systems bei Steuern und Sozialabgaben dürften die meisten Menschen in Bremen „mehr Netto von Brutto” haben — wer hätte gedacht, dass der Wunschtraum einer wirtschaftsliberalistischen Splittergruppe durch die sozialdemokratisch geprägte Politik Skandinaviens in Erfüllung ginge? Ja, das Ganze klingt wirklich nicht so schlecht!
Aber es gibt auch ein paar Schattenseiten. Nehmen wir einmal den Gesundheitssektor. Grundsätzlich gilt: Die Kosten, die für die Behandlung bei Ärzten und in Krankenhäusern anfallen, übernimmt der Staat. Nur, irgendjemand hat sich einfallen lassen, dass beispielsweise die Zähne nicht zum Körper gehören. Wie anders ist zu erklären, dass zahnärztliche Behandlungen komplett selbst zu bezahlen sind? Ähnliches gilt bei Sehhilfen, auch die finanziert der Norweger aus eigener Tasche. Hat man eine Krankheit, die zwar nicht lebensbedrohlich ist, aber dennoch eine Behandlung bei einem Spezialisten erfordert, wird man in der Regel ins nächste Krankenhaus überwiesen. Für die meisten Spezialisten gibt es lange Wartezeiten; so kann es schon mal ein paar Wochen dauern, ehe man einen Behandlungstermin bekommt. Ergo: Wer es sich leisten kann, geht eben in die Privatklinik. Abgesehen davon gibt es eine Gebühr, die bei jedem Besuch der öffentlichen Ärzte und Krankenhäuser fällig wird — z.Zt. liegt diese bei ca. 16 Euro (bei einer jährlichen Obergrenze von ca. 130 Euro).In Norwegen arbeitet man bis zum Erreichen des 70. Lebensjahres. Es mehren sich aber die Stimmen, die „mehr Flexibilität” fordern, inzwischen steht des Öfteren die Zahl 75 im Raum. Dabei muss man bedenken: In Norwegen herrscht im Prinzip Arbeitskräftemangel; die Arbeitslosigkeit liegt bei 3,3 %. Insofern ist es sinnvoll — zumindest in Branchen mit akutem Mangel an Arbeitskräften — die Arbeitnehmer so lange wie möglich am Arbeitsplatz zu halten.
Teurer wird es auch für Autofahrer. Jeder, der schon einmal in Norwegen war, kennt die vielen Strecken, für die Mautgebühren fällig sind. Jede Stadt, die etwas auf sich hält, hat einen Mautring, d.h. jede Fahrt in die Stadt kostet Geld. Da sich Bremen locker mit Oslo messen kann (s.o.), würden für Bremen (wie in der Hauptstadt) gleich zwei Mautringe in Frage kommen. Ein äußerer Ring würde an der Landesgrenze, gleich hinter den Zollstationen, beginnen, so dass alle Autos, die auf der A1 (die dann übrigens E37 heißt) und der E234 (ehemals A27) Bremer Gebiet passieren, mit € 3,50 zur Kasse gebeten würden. Gleiches gilt natürlich für alle anderen Straßen, die von Niedersachsen nach Norwegen führen. Ein zweiter Mautring (wieder € 3,50) würde das allerinnerste Zentrum umschließen. Geschickterweise legt man den so, dass die meisten Pendler davon betroffen sind, d.h. von Sebaldsbrück im Osten (Mercedes!) bis nach Gröpelingen im Westen (Häfen, Stahlwerke!). Für Bremen-Nord findet sich sicherlich auch noch eine Lösung. Für aufwändige Straßenprojekte bezahlt man natürlich extra, z.B. für den Wesertunnel. Die Gebühren richten sich dann nach den Baukosten, dem voraussichtlichen Verkehrsaufkommen und der geplanten Abtragszeit.Müssen wir noch über Alkohol reden? Klar, schließlich müssen die Bremer wissen, woran sie sind, wenn sie irgendwann in der Zukunft über den Beitritt zum Königreich abstimmen müssen.
Die Preise werden stark ansteigen — zehn Euro für einen halben Liter Pils in der Gastronomie sind normal. Wein und Spirituosen wird es nur in den Monopolläden geben, die Flasche Wein ab zehn Euro, Schnaps ab ca. € 40. Hinzu kommt: Das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit ist verboten! Also Schluss mit lustig, z.B. auf dem Freimarkt oder gar auf Kohl- und Pinkelfahrten. Wer erwischt wird, zahlt ca. 120 Euro in die Staatskasse.Und wo wir geraden bei den LUSTigen Dingen des Lebens sind: Der Erwerb sexueller Dienstleistungen ist verboten, die Helenenstraße wird umgewidmet zu einem Seniorenwohnpark.
Und es kommt noch schlimmer: Die reichen Volksgenossen aus dem Norden würden sich die relativ günstigen Immobilien in Bremen unter den Nagel reißen, was zu einem weiteren Preisanstieg auf dem Wohnungsmarkt führte. Und damit Bremen nicht zu mächtig wird, würde in Oslo vermutlich entschieden werden, Bremen wegen der räumlichen Nähe zu Norwegens Südwesten der Provinz Vest-Agder zuzuschlagen; verwaltet würde die einstmals stolze und freie Hansestadt von Kristiansand (86.000 Einwohner) aus.
Aber so weit muss es ja nicht kommen. Vermutlich wird Bremen eine Art norwegische Freihandelszone. Löhne und Preise sind in Bremen viel niedriger als im übrigen Norwegen, so dass sich das rechnen könnte. Mit dem norwegischen Lohnniveau müssten sowieso sämtliche exportorientierten Industriebetriebe schließen, da sie — wie übrigens die meisten norwegischen Industrieunternehmen — international nicht mehr konkurrenzfähig wären.
Aber, was wäre die Folge? An jedem Wochenende würde Ryanair Horden norwegischer Möchtegernwikinger nach Bremen bringen, die dort ordentlich die Sau raus lassen und sich die Kante geben.
Bremen wäre dann wohl eine Mischung aus ein bisschen Las Vegas … und ganz viel „Fuselfelsen”!
Ja, das war ja seit langem das beste, das ich hier gelesen habe! Darüber müssen wir in Bremen noch mal nachdenken … und erst mal zur Gründungsversammlung des „Fördervereins Bremer Sportbad Uni“ gehen …
Im Übrigen, Alter: An Dir ist ein Geograph verloren gegangen!
Was wäre die Alternative? Bremen könnten sich vielleicht den Franken anschließen. Da kostet das kleine Bier schließlich nur € 1,20, wir haben es am Wochenende gerade mal wieder genießen dürfen. Wenn nur diese unangenehmen Begleiterscheinungen nicht wären, würde man sich gen Süden orientieren … z.B. die Borniertheit der bayerischen Umgebung und die hohe Kriminalität in der Sportbranche … Schöne Grüße also aus dem armen Bremen – wir halten durch!